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Struktur der Feldbusnormen

In der Normierung wird die Verwendung von Markennamen vermieden: Ethernet wird oftmals durch das technisch korrekte CSMA/CD oder eine Referenz auf die entsprechende ISO-Norm 8802.3 ersetzt. Dies ist auch bei den Feldbusnormen der Fall. Der Leser findet also in der ganzen IEC-61158-Feldbusnorm nie eine Bezeichnung wie Profibus oder Interbus. Darum ist es wichtig, den Einstieg in diese Ansammlung von Normen richtig zu finden.

Definition der Feldbusse

In der Norm IEC 61784 Teil 1 werden alle Feldbusse aufgeführt. Für den Foundation Fieldbus (FF) werden drei Profile eingebracht. Der H1 Bus wird für die Prozessautomation eingesetzt und der HSE ist als Ethernet-Backbone und für die Fertigungstechnik geplant. Mit dem H2 ist noch eine „Normierungs-Leiche“ aufgeführt: Sie erlaubt die Migration der WorldFIP-Lösung zu FF, doch wird in der Profildarstellung explizit darauf hingewiesen, dass es dazu keine Produkte gibt. Der PROFIBUS hat seine Profile PROFIBUS-DP und PA eingebracht; die PROFIBUS-Experten haben es jedoch (glücklicherweise) nicht für notwendig betrachtet, die ursprüngliche Version des PROFIBUS, den PROFIBUS-FMS, auch in der IEC aufzuführen. Somit ist der PROFIBUS-FMS nur in der EN 50170-2 und formal nicht in der IEC enthalten. Das ursprünglich dänische P-Net wurde in die IEC 61158 übernommen, ebenso die Festlegungen des WorldFIP und des INTERBUS in allen seinen Varianten; der INTERBUS konnte auch seine Ergänzungen zum Tunneln von TCP/IP in die Profilbildung einfließen lassen. Zwischenzeitlich wurde Swiftnet, das im Flugzeugbau (Boeing) weit verbreitet ist, in den Kreis der Feldbusse aufgenommen. Dies erwies sich später als Irrtum und in der Version von 2007 wird dieses Protokoll wieder aus der Norm entfernt. Gleichzeitig werden die Protokolle von CC-Link und HART eingefügt.   

Definition von Echtzeit-Ethernet

Alle Echtzeit-Ethernet-Protokolle sind in der IEC 61784 Teil 2 zusammengetragen. Hier finden wir die Lösungen EtherNet/IP, drei Versionen von PROFINET IO – die Klassen A, B, und C – und die Lösungen von Vnet/IP, TCnet, EtherCAT, Ethernet POWERLINK, EPA und MODBUS. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Lösung von SERCOS. Dieses Netzwerk aus dem Bereich der Achsenansteuerung hatte eine eigene IEC-Norm 61491. Mit der Einführung der Ethernet-basierten Lösung ist diese Norm auseinander genommen worden und der Kommunikationsteil wird in IEC 61158/61784 integriert. Der Anwendungsteil ist zusammen mit anderen Antriebslösungen in eine spezielle Antriebsnorm IEC 61800-7 integriert worden. Erstmals hat man bei dieser Norm versucht, dem Anwender bei der Auswahl eines geeigneten Systems eine Hilfestellung zu geben. Es sind allgemeine Leistungsparameter – englisch als Performance Indications (PI) bezeichnet – definiert worden. Diese Leistungsparameter werden nur vage definiert. Jedes Konsortium, das eine Lösung in der Norm definiert hat, muss Angaben zu diesen Leistungsparametern zur Verfügung stellen. Es ist klar, dass die Leistung von einem Netzwerk, insbesondere wenn es in Software implementiert wird, von der Leistung der Implementierung abhängig ist. Trotzdem soll man für typische Konfigurationen einen Satz von Leistungsparametern oder die Formeln zu deren Berechnung in der Norm finden.

Man kann diese Leistungsparameter in drei Gruppen einteilen:

  • Angaben zur Kapazität wie Lieferzeit (Delivery Time), Durchsatz für Echtzeitdaten (Throughput RTE) und Bandbreite für Nicht-Echtzeit-Daten (Non-RTE bandwidth)
  • Angaben zum Zeitverhalten wie Genauigkeit der Zeitsynchronisation (Time synchronization accuracy), Genauigkeit ohne Zeitsynchronisation (Non-time-based synchronization accuracy) oder die benötigte Wiederherstellungszeit bei redundanten Systemen (Redundancy recovery time)
  • Angaben zur Topologie wie die Anzahl der Endstationen (Number of endstations), die erlaubten Topologien (Basic network topology) oder die Anzahl der Switches zwischen Endstationen (Number of switches between end-stations)

Installationsrichtlinien

Zu Beginn der Normung hatte jeder Feldbus seine eigenen Installationsvorschriften. Bald kam das Bedürfnis auf, die Verkabelungsinfrastruktur gleich oder zumindest nach gleichen Regeln gestalten zu können. Dies war die Geburtsstunde der Norm IEC 61784-5. Bei den verschiedenen Lösungen, die auf Ethernet basieren, war natürlich die Erwartungshaltung noch viel größer. Im Bürobereich hat sich die universelle Gebäudeverkabelung als Infrastruktur durchgesetzt. Der Anwender ist gewohnt, dass er sich in ein solches Verkabelungssystem einklinken kann, und diese Infrastruktur problemlos nutzen kann. In der Automatisierungstechnik haben wir aber andere Vorgaben an die Infrastruktur, die von einer universellen Gebäudeverkabelung nur bedingt erfüllt werden. Darum sind für die Automatisierungstechnik ergänzende Normen erstellt worden. Die Grundlage bildet die IEC 61918 „Industrial communication networks – Installation of communication networks in industrial premises“. In dieser Norm werden die Prinzipien, aufgeteilt nach verschiedenen Arbeitsschritten im Planungsprozess, zusammengestellt. Jede Feldbus-Familie kann nun für Ihre einzelnen Profile von dieser allgemeinen Norm Abweichungen und Ergänzungen festlegen. Dazu werden diese in einem Unterkapitel der IEC 61784-5 zusammengetragen, wobei jedes Profil einen Anhang mit derselben Struktur wie die IEC 61918 belegt. So hat z. B. die Installationsrichtlinie des PROFIBUS-DP die Referenz IEC 61784-5-3 Anhang A.

Verlässlichkeit

Immer mehr werden Feldbusse auch in kritischen Anwendungen eingesetzt. Die Verlässlichkeit wird immer wichtiger. Dabei müssen die Aspekte der Verfügbarkeit und der funktionalen Sicherheit unterschieden werden. In beiden Bereichen sind Normen, oder besser Normensammlungen, entstanden. Insbesondere für die Ethernet-basierten Netzwerke ist die IEC 62439 mit dem Titel „Industrial communication networks – high availability automation networks“ erstellt worden. In einem ersten Versuch wurden dabei vier verschiedene Prinzipien der Redundanz zur Erhöhung der Systemverfügbarkeit definiert und festgelegt. Aber bald wurde die Normierungsgruppe durch die Markt-Realität eingeholt und unter massiven Druck wurden zusätzliche Lösungen definiert und in die Norm als weitere Teile integriert. Heute umfasst die IEC 62439 sieben verschiedene Lösungen, die teilweise ähnliche Anforderungen abdecken können, in sechs Normenteilen:

  • Part 1: General concepts and calculation methods (Including RSTP)
  • Part 2: Media Redundancy Protocol (MRP)
  • Part 3: Parallel Redundancy Protocol (PRP) and High availability Seamless Ring (HSR)
  • Part 4: Cross-network Redundancy Protocol (CRP)
  • Part 5: Beacon Redundancy Protocol (BRP)
  • Part 6: Distributed Redundancy Protocol (DRP)

Für die funktionale Sicherheit sind von unterschiedlichen Konsortien unterschiedliche Safety-Protokolle entwickelt worden. Den meisten Lösungen ist gemeinsam, dass diese auf einen „Black Channel“ aufsetzen und somit über unterschiedliche Feldbusse und Netzwerke übertragen werden können. Aus technischer Sicht gibt es darum keinen Grund, warum nicht eine einzige oder zumindest eine reduzierte Anzahl von Protokollen diese Funktionen abdecken können. Trotzdem sind in der Norm IEC 61784 Teil 3 heute acht verschiedene Safety-Protokolle definiert. SERCOS hat auf die Definition eines eigenen Safety-Protokolls verzichtet und macht eine Referenz auf das CIPSafety-Protokoll. Doch auch hier ist die Entwicklung noch nicht abgeschlossen: Mit SafetyNET p steht das 9. Protokoll zur Abstimmung.